Über den Umgang mit inneren Zuständen oder wäre es nicht schön, wieder am Steuer zu sitzen?

Es gibt Momente in unserem Leben, da haben wir das Gefühl, in unserem Inneren tobt ein Vulkan. 

Wir nehmen unterschiedliche Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken wahr und das erscheint uns als verlieren wir die Kontrolle über unser Denken, Fühlen und Handeln.

In meiner Praxis beschreibe ich das immer als den Schleudervorgang in der Waschmaschine.

Alles dreht sich, ist durcheinander, ist zu schnell und man findet den Ausschaltknopf nicht mehr.

Das verunsichert, irritiert und macht Angst.

Besonders in Zeiten, wo wir vor Herausforderungen in unserem Leben stehen, wo Veränderungen sich anbahnen, Entscheidungen getroffen und innere Konflikte bedacht werden wollen, bemerken wir diese inneren Dialoge.

„Soll ich oder soll ich nicht?“ „Das kannst du nicht!“ „Das schaffst du niemals, das hat noch nie funktioniert.“ „Wie finden das die anderen?“ „Ich habe Angst vor den Konsequenzen.“ „Was mache ich, wenn das nicht funktioniert?“ „Dafür habe ich kein Geld, keine Zeit.“ „Ich würde ja, aber …“

Diese innere Zerrissenheit kennen wir alle nur zu gut. 

Schon Goethes Faust fühlte diese innere Zerrissenheit „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“.

Diese unterschiedlichen Meinungen, Haltungen und Emotionen verlangen von uns so einiges ab und können so an Geschwindigkeit und Intensität zunehmen, dass wir das Gefühl haben, nicht mehr Herr*in im eigenen Haus zu sein.

Wir fühlen uns dann überrannt, überfordert und nicht mehr handlungsfähig.

Und dann ist es gar nicht so einfach, sich seinen inneren Gedanken und Stimmen zu stellen, Ordnung in dieses wahrgenommene Chaos zu bringen. 

Es gibt verschiedene Bezeichnungen für diese unterschiedlichen inneren Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen.

Wir nennen sie umgangssprachlich den inneren Kritiker, das innere Kind, die innere Perfektionistin, den Antreiber, die Ängstliche usw. und verwenden die Begriffe, wenn wir verschiedene Zustände beschreiben wollen, so als ob wir damit gar nichts zu tun hätten und etwas über uns kommt, vor dem wir uns nicht erwehren können.

Doch was steckt hinter ihnen? Wie sind sie entstanden? Und wie kann ich lernen, besser mit diesen Persönlichkeitsanteilen umzugehen? 

Der innere Kritiker ist aus der Zeit gefallen.

Zuerst einmal, es ist völlig normal unterschiedliche Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken wahrzunehmen.

Wir bestehen nicht nur aus einem Persönlichkeitsanteil, der unsere Identität beschreibt, sondern aus vielen.

Unserer Persönlichkeit ist ein ziemlich komplexer Haufen und setzt sich aus unterschiedlichen Aspekten zusammen.

Das liegt daran, dass wir in unserem Leben verschiedene Erfahrungen machen und aus diesen lernen und jedes Mal, wenn wir neue Erfahrungen machen, wird in unserem Gehirn eine Synapse verknüpft. 

Diese neuronalen Verknüpfungen einer Nervenzelle mit einer anderen Zelle dient der Informationsübertragung.

Wenn wir im Leben immer wieder ähnliche Situationen zu bewältigen haben,

entwickeln sich Erfahrungsnetzwerke in unserm Gehirn, die uns helfen auch zukünftig mit ähnlichen Situationen gut umgehen zu können.

Gut umgehen zu können meint hier gut zu überleben.

Die unterschiedlichen Persönlichkeitsanteile in uns sind also gespeicherte Erfahrungsmuster in unserem Gehirn.

Vielleicht kennst du die folgende Situation: 

Du bist auf der Arbeit und es bahnt sich ein Konflikt mit einer Kolleg*in oder deiner Chef*in an.

Und plötzlich bemerkst du, wie sich innerlich etwas verändert und du fühlst dich irgendwie kleiner, unbedeutender, vielleicht verändert sich auch deine Atmung und dein Herzschlag, du wirst nervöser und ängstlicher. 

Besonders in Situationen mit anderen Menschen sind wir sehr anfällig für die Überlebensmuster aus unsere Vergangenheit. 

Wir sind soziale Wesen und wir sind von Beginn an auf andere Menschen angewiesen. 

Darauf, dass sie uns versorgen, unsere Bedürfnisse erkennen und angemessen darauf reagieren und sie uns erfüllen.

Nur sind die meisten Menschen nicht in so einen Honigtopf gefallen, sondern die meisten von uns mussten, lernen, mit den nicht erfüllten Bedürfnissen umzugehen. 

Und dieses Umgehen, dieses Lernen, das sind unsere Strategien, die wir in ähnlichen Situationen immer wieder anwenden.

Als Überlebensreaktion auf unerfüllte Bedürfnisse.

Eigentlich ganz schlau und hilfreich. 

Nur leider ist nicht immer das, was in unserer Kindheit hilfreich war, auch heute noch hilfreich, es kann sogar zu neuen Konflikten führen.

Wenn du nochmal an das Beispiel von oben denkst …

Es ist nicht unbedingt hilfreich, im Konflikt mit der Chef*in aus der Beziehung zu gehen. Indem man sich innerlich zurückzieht, ganz still wird und hofft, dass es bald vorbei sein möge. 

Oder man wird wütend und beginnt sich zu verteidigen, ganz nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ oder man hat den Impuls, die Situation schnell zu verlassen, zu fliehen. 

So als wäre man plötzlich nicht mehr in seinem erwachsenen Alter, sondern irgendwie jünger, eher wie ein Kind.

Vermutlich hat diese Strategie in der Kindheit geholfen, mit belastenden und stressigen Situationen umzugehen, daher wird das Gehirn diese Überlebensstrategie bei ähnlichen Themen auch wieder anwenden.

Und dann kann es sein, dass die Strategie, die in der Kindheit immer so hilfreich war, heute nicht mehr hilfreich ist und sie einem in meinem Bedürfnis nach Nähe eher hindert und blockiert und mich von meinem Bindungsbedürfnis entfernt.

Dann wünsche sich Menschen Veränderung, beginnen diese inneren Dialoge wahrzunehmen, versuchen sie zu verstehen, sie in einen Sinnzusammenhang zu stellen und sie zu verändern.

Es gibt eine Möglichkeit diesen inneren Anteilen auf die Spur zu kommen, diese zu verstehen und zu einem guten inneren Team werden zu lassen.

Als Erstes ist es wichtig, dass du deine inneren Prozesse wahrnimmst und sie erkennst.

Nichts ist da, um dir zu schaden, sondern vielmehr um dir zu helfen bzw. ist ein Hinweis auf eine Überlebensstrategie, die in deiner Vergangenheit einmal wichtig war.

Lenke deine Aufmerksamkeit auf das, was in deinem Inneren geschieht und lerne innerlich in Distanz zu gehen.

Das wird dir gelingen, indem du deinen inneren Beobachter einschaltest, der dir wichtige Informationen gibt, wenn sich in deinem Denken, Fühlen und Handeln irgendetwas verändert.

Also, wenn sich ein Anteil auf deinen Fahrersitz schummelt und die Führung übernimmt.

Wichtig ist, dass du nur beobachtest, nicht bewertest, lass die Gedanken und Gefühle kommen und gehen.
Du wirst mit der Zeit einen roten Faden erkennen. 

Du wirst erkennen, dass es bestimmte Situationen und Personen sind, die diese Gedanken und Gefühle bei dir auslösen.

Sie können dich auf einen wichtigen nächsten Entwicklungsschritt hinweisen, auf eine Entscheidung, die getroffen werden will, auf unerfüllte Bedürfnisse, die gelebt werden wollen.

So kannst du lernen, mit deinen Gedanken und Gefühlen umzugehen und mit jeder neuen Erfahrung, die du machen wirst, ist es dir möglich, alte Lernmuster zu überschreiben.
So kannst du Verantwortung für die Gestaltung deines Lebens übernehmen und deine Fähigkeiten konstruktiv und gekonnt nutzen. 

Um endlich Platz zu haben für die Dinge die dir wichtig sind, die Lebensqualität zu erreichen die dir am Herzen liegt, dein Leben zu leben!

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